Das Amazonasbecken ist ein erhaltenswerter Schatz
Das Amazonasbecken, ein exotisches und immenses Ökosystem, erstreckt sich über ein Gebiet von mehr als 7 Millionen Quadratkilometern, 70 Prozent davon befinden sich in Brasilien. Venezuela, Kolumbien, Peru, Bolivien, Ecuador, Surinam, die Republik von Guyana und Französisch-Guyana teilen sich die restlichen 30 Prozent. Fünundsiebzig Prozent des brasilianischen Bundesstaates Amazonas, das sind 3.755.500 Quadratkilometer, werden vom weltgrößten Regenwald bedeckt. Man schätzt, dass der Regenwald des Amazonas 40 Prozent aller noch verbleibenden Regenwälder dieser Erde ausmacht. Seine nördlichen Grenzen werden von Feldern, seine südlichen von Savannen (Cerrados) gesäumt. Zusammengenommen machen sie vier¬zehn Prozent des gesamten Gebietes aus; weitere drei Prozent werden permanent oder saisonbedingt von Überschwemmungen heimgesucht. Auf den verbleibenden neun Prozent haben sich Menschen angesiedelt und es hat sich eine Sekundärvegetation ausgebreitet. Da der Amazonas-Regenwald von unermesslicher Bedeutung für die Umwelt ist, gilt er als einer der kostbarsten Naturschätze der Welt. Er beeinflusst nicht nur das Klima der Region, sondern seine Bäume speichern auch enorme Men¬gen an Kohlenstoff, die, wenn sie freigesetzt würden, einen beträchtlichen Beitrag zum Treibhauseffekt leisten würden. Der brasilianische Amazonas ist besonders reich an Bodenschätzen und Energieressourcen. Schätzungen zufolge beträgt der Vorrat an Bauxit 2,9 Milliarden Tonnen, an Kupfer 1,2 Milliarden Tonnen und an Eisenerz 17,7 Milliarden Tonnen. Hinzu kommt, dass ungefähr 100.000 Me¬gawatt Energie durch Wasserkraft hier erzeugt werden, das entspricht 45 Prozent der Gesamtmenge Brasiliens.
Ein riesiges Süßwasserreservoir
Ein Fünftel der Süßwasservorräte der Erde stammt aus den Flüssen des Amazonasbeckens. Mit acht Trillionen Gallonen (1 Gallone = ca. 4,5 Liter) Stromwasser ergießt sich der Amazonas täglich ins Meer; damit führt er mehr Wasser als die acht nächstgrößten Flüsse der Welt zusam¬mengenommen. Von den fast 1.100 Flüssen des Amazo¬nasbecken wiesen alle einen permanent hohen Wasserstand auf. Zu den insgesamt ca. 2.252,60 Kilometern an schiffbaren Wasserwegen kommen noch mehrere Millionen Meilen an Igarapes, kleinen, mit dem Kanu passierbaren Korridoren, die durch Sümpfe und Wälder führen.
Die Heimat von Tausenden exotischen Pflanzen und Tieren
Der Regenwald des Amazonas birgt die größte Vielfalt an Bioorganismen. Es gibt keine Angaben darüber, wie viele verschiedene Arten hier vertreten sind; ihre Zahl dürfte jedoch erstaunlich hoch sein, sie wurde von Wissenschaftlern auf 800.000 bis 5 Millionen geschätzt. Das entspricht ca. 25 — 30% aller auf der Erde vertretenen Arten.
Diese wunderbare Artenvielfalt schafft eine schier endlose Collage aus Klängen und Farben. Unter den größeren Tieren ist es Wissenschaftlern gelungen, bisher 300 ver¬schiedene Säugetiere und 1.800 verschiedene Vogelarten — 11 Prozent aller Vogelarten dieser Erde — sowie 300 verschiedene Fischarten zu identifizieren und katalogisieren. Innerhalb dieses immensen Universums gibt es natürlich eine unendlich große Zahl an mikroskopisch kleinen Lebewesen.
Die unglaubliche Vielfalt der Flora und Fauna im brasilianischen Amazonasgebiet könnte auf die verschiedenste Art und Weise beschrieben werden. Studien im westlichen Amazonasgebiet haben herausgefunden, dass mehr als 500 verschiedene Vogelarten nur einige wenige Quadratkilometer des Regenwaldes bewohnen. Naturforscher haben 500 verschiedene Baumarten auf einem Landstück in der Größe eines halben Hektars nahe der Stadt Manaus in Brasilien identifizieren können. Um dies anhand eines Beispiels zu kontrastieren: In Frankreich wurden insgesamt 50 verschiedene Baumarten gezählt!
Ein gastfreundlicher Lebensraum für viele Säugetiere
In dieser Region wimmelt es nur so von seltenen Tieren. Ungefähr 30 Arten von Fleischfressern gibt es dort. Der Jaguar ist die einzige Großkatze, aber kleinere Spezies wie Puma, Jaguarundi oder Ozelot, haben dort ebenfalls ihren Lebensraum. Wie alle anderen Tiere, die ein attraktives Fell besitzen, gehören auch sie zu den bedrohten Arten. Von den einundfünfzig verschiedenen Affenarten, die in der Neuen Welt gezählt wurden, sind dreißig in den Regenwäldern des Amazonas beheimatet. Von elf in Südamerika existierenden Rot- und Damwild Arten leben sechs in Brasilien. Den besonderen Bedingungen des Amazonasgebietes haben sich im Laufe der Zeit die Nagetiere angepasst. Mit mehr als hundert verschiedenen Arten sind sie die größte Gruppe der Säugetiere in der Amazonasregion. Einige, darunter z.B. der Capivara (Wasserschwein) können eine beträchtliche Größe und ein Gewicht von bis zu 65 Kilogramm erreichen!
Solche günstigen Bedingungen finden auch einige seltene Meeressäugetiere vor. Der Boto, der Süßwasserdelfin des Amazonas, kommt in der gesamten Amazonas- und Orinoco-Flussregion vor. Ein zweiter Vertreter der Walfamilie, der Tucuxi, ein Graudelphin, gehört zu den Delphinen, die auch im Meer leben können. Der Boto ist mit einer Länge von ca. 2,65 Metern der größte dieser Art.
Die Reptilien am Amazonas
Reptilien spielen für das ökologische Gleichgewicht am Amazonas eine große Rolle; sie bewohnen dort alle verfügbaren Lebensräume, angefangen vom Grund eines Flusses bis hoch hinaus ins Blattwerk der Bäume. Anakonda, Kaiman, große Flussschildkröten — sie alle tummeln sich dort zusammen mit den kleineren Echsen und den Schlangen. Obwohl eine Anakonda sich gewöhnlich auf große Wirbeltiere stürzt und diese geradezu zermalmt, wird sie nie einen Menschen anfallen. Die Boa Constrictor, die zweitgrößte Schlange nach der Anakonda, kann aggressiv werden und stößt ein lautes Zischen aus, wenn sie belästigt wird. Weitaus gefährlicher sind die Grubenottern (Crotalinae), die übrigens für die meisten durch Schlangenbiss verursachten Todesfälle verantwortlich sind.
Eine Region mit großer Unterwasservielfalt
Das einzige Gewässersystem der Erde, dessen Vielfalt an Fischen sich mit dem Amazonasbecken vergleichen könnte, sind die Meere. Die ständig wachsende Zahl an katalogisierten Arten läßt vermuten, dass mittlerweile mehr als 3.000 verschiedene Fischarten in den Flüssen und Seen des Amazonas leben und es darunter einige gibt, die sich im Laufe der Zeit in Anpassung an die speziellen Gegebenheiten der Region entwickelt haben. Der Pirarucu (Arapaima gigas), bekannt als der größte Süßwasserfisch der Welt, lebt hier im Amazonasbecken. Noch heute findet man Spezies in einer Länge von ca. 1,95 Metern und einem Gewicht von bis zu 125 Kilogramm. Viele der Arten, die auch die Schwemmgebiete des Regenwaldes aufsuchen, haben sich ganz individuell entwickelt. Ein herausragendes Beispiel für eine Tierart, die eine solche ökologische Nische besetzt hat, ist der Tambaquim, zur Familie der früchtefressenden Characin gehörend. Die Zähne des Tambaquim ermöglichen es ihm, sogar die härtesten Samenkerne wie z.B. die des Gummibaums oder der Javaripalme (Astrocaryun) zu zerbeißen. Die Bösartigkeit einer anderen speziellen Fischart, dem fleischfressenden Piranha, wird oft übertrieben. Obwohl es stimmt, dass Vertreter dieser Spezies in einigen seltenen Fällen große Tiere und sogar Menschen getötet haben, hängt ihr Verhalten vom Zustand ihres Lebensraums ab. In den Hauptflussläufen und den größeren Seen scheinen sie, besonders in Hochwasserzeiten, Schwimmer in Ruhe zu lassen. Sie werden erst dann aggressiv, wenn es ihnen an Nahrung mangelt.
Es wimmelt von Insekten
Obwohl mittlerweile fast alle Wirbeltiere von Wissen¬schaftlern identifiziert wurden, konnte bisher nur ungefähr ein Prozent der Insektenarten näher bestimmt werden. Man nimmt an, daß der Amazonas-Regenwald der Welt reichster Lebensraum für eine große Vielfalt an Insektenarten ist. Zwei miteinander nicht verwandte Insektenarten — die Heuschrecke und die Zikade hinterlassen bei einem Besuch der Region den größten Eindruck, da sie sozusagen die Hintergrundmusik der Wälder liefern. Pflanzensauger, zur Ordnung der Zikaden gehörend, sind wohl die am seltsamsten aussehenden Insekten dieser Erde. Die vielen verschiedenen Farben, die sie in der Lage sind vorzutäuschen, könnten Teil ihrer natürlichen Strategie sein, d.h., hungrige Vögel zu verjagen.
Die Brasilianische Amazonasregion ist ein Naturgut von unschätzbarem Wert
In der Region sind 16,5 Millionen Menschen, d.h. ungefähr 11% der gesamten Bevölkerung Brasiliens, beheimatet; davon gehören ca. 170.000 zu einheimischen Bevölkerungsgruppen, die 65 Prozent der Ureinwohner Brasiliens repräsentieren. Sie leben in den ihnen speziell zugesprochenen Gebieten um das Amazonasbecken.